Plädoyer für ein Leben in Wahrheit

Boualem Sansals Selbstverständnis als Autor


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In seinem Selbstverständnis als Autor steht Boualem Sansal in der Tradition des kritischen Intellektuellen. Als Schriftsteller mischt er sich ein und meldet sich zu Wort, auch da, wo er sich in große Gefahr begibt. Allerdings kann er seine unmittelbaren Adressaten, die Algerier, aus Gründen der Zensur nur auf Umwegen erreicht. Genaue Angaben, wie oft seine Bücher in Algerien verkauft wurden, liegen ihm nicht vor: "Ich schätze, mein erster Roman wurde 10.000 Mal, die beiden folgenden jeweils rund 5.000 Mal verkauft" (Zenith). Seit der Veröffentlichung des Essays Postlagernd: Algier sind seine Werke in Algerien offiziell verboten.

Foto: Gallimard

Der deutsche Journalist und langjährige Nordafrika-Korrespondent der ARD, Samuel Schirmbeck, kennt den Grund: "Die meisten Algerier denken wie Sansal. Mein algerischer Kameramann, ein einfacher Mann, ein gläubiger Moslem, hat für meinen ARTE-Beitrag Sansal in Boumerdès gefilmt. Auf meine Frage, was er von Sansals Ideen hält, sagte er: ‚Der Mann hat Recht.’" Umso heftiger sind die politischen Eliten um Abgrenzung bemüht. Schließlich wollen sie ihre Position nicht gefährdet wissen.

Die beschränkten Wirkungsmöglichkeiten der Literatur sind Boualem Sansal  natürlich bewusst. Dennoch gibt er nicht auf, sondern hält mit einer beeindruckenden Hartnäckigkeit an seiner literarischen Tätigkeit fest: "Vielleicht dulden sie uns als eine Art Narren. Mehr aber auch nicht", hat er Reiner Wandler gegenüber in der tageszeitung geäußert. Dabei funktioniert der Dialog mit seinen Landsleuten im europäischen Ausland wunderbar, beispielsweise im September 2008 in Berlin mit der deutsch-algerischen Vereinigung YEDD. Dass diese Vereinigung wegen der Veranstaltung mit Boualem Sansal von der algerischen Botschaft in Deutschland abgemahnt und als nicht vertrauenswürdig eingestuft wurde, verdeutlicht nur die Notwendigkeit seines Engagements.

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